Mehr als eine Dame von "Welt": Die Journalistin Marie Przibylla im Interview
Marie Przibylla hat keinen einfachen Job. Sie arbeitet für den ehemaligen TV Sender N24 in Berlin vor der Kamera, der seit 2018 gleich wie die Tageszeitung "WELT" heisst, in Deutschland. Dort führt sie Interviews in täglichen Livesendungen, die WELT auf Facebook streamt. Ihre Interviewpartner sind Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft. Oft ist Marie vor Ort unterwegs. Die besondere Herausforderung ihrer Arbeit ist, dass sie das Publikum aus dem Chat direkt in das Interview mit einbindet. Keine einfache Sache im Jahr 2018, da gerade im Netz die Hasskultur und die Fakenews Debatten teilweise zu sehr harten Kommentaren führen. Dies parallel zu managen erfordert ein hohes Geschick an journalistischem Können. Daher freue ich mich ganz besonders, mit Marie dieses Interview zu führen.
Laura Bünd: Liebe Marie, danke, dass du dir Zeit genommen hast für ein Interview. Du bist bekannt in der deutschen TV Landschaft und arbeitest vor der Kamera bei der WELT. Wie kam es dazu?
Marie Przibylla: Im Kindergartenalter habe ich beschlossen Nachrichtensprecherin zu werden, wenn ich groß bin. Daran habe ich festgehalten: in der Jugend Theater gespielt und mich in Debattierclubs engagiert, nach dem Abi in diverse kleine und große TV-Redaktionen reingeschnuppert und schließlich Publizistik und Politik in Berlin studiert. Ein Praktikum brachte mich dann auch 2011 zu N24. Aus N24 wurde irgendwann WELT und ich bin - in verschiedenen Funktionen - bis heute geblieben. Schon im Volontariat hat mich mein Chef sehr stark gefördert und gefordert, was den Einsatz vor der Kamera angeht und plötzlich habe ich einen täglichen Livestream für unsere Facebook-Kanäle moderiert. Neben viel harter Arbeit und Engagement muss man manchmal auch einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.
L.B.: Was sind deine Fachgebiete, über die Du berichtest?
M.P.: Ich befasse mich mit allen Themen, also von der harten Tagespolitik über Service bis hin zu bunten Themen. Das ist auch das Schöne an meinem Job, dass ich oft nicht weiß, in welche Materie ich mich morgen einarbeiten werde, da man Nachrichten bekanntlich nicht immer planen kann.
L.B.: Du arbeitest ja sehr viel auch mit Liveübertragungen ins Internet und stellst deinen Interviewpartnern nebenher auch die Fragen aus dem Livechat. Zwei Fragen dazu: Ist es nicht schwierig, in die Kamera zu schauen, auf den Interviewpartner einzugehen und dann noch aufs Handy zu schauen? Und zur zweiten Frage: Was denkst du über die Qualität der Social Media Kommentare?
M.P.: Stimmt, das ist nicht ganz einfach, weil auch meine Multitasking-Fähigkeit trotz des täglichen Live-Trainings begrenzt ist. Mir hilft dabei meist die Vorstellung, dass da hinter der Kamera wirklich echte Menschen sitzen, die natürlich auf das reagieren, was wir vor der Kamera tun oder sagen. Wie in einem richtigen Gespräch versuche ich also auch da zuzuhören, auch wenn meine Interviewpartner den Blick auf´s Handy in die Kommentarspalte vielleicht manchmal als unhöflich empfinden. Das ist also ein bisschen wie ein Ping-Pong-Spiel. Diese Kommunikationsebene bereichert die Interviews oft. Selbst wenn die Kommentare manchmal sehr rabiat sind, kann ich daraus immer noch Stimmungen rausdestillieren. Wenn ich für´s TV im Einsatz bin, wundere ich mich manchmal, dass abgesehen von den Moderatoren im Studio niemand direkt darauf reagiert.
L.B.: Welche Leute hast du bereits schon interviewt?
M.P.: Oh je, da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Da waren in zwei Jahren wirklich Vertreter jedes gesellschaftlichen Bereichs dabei.
L.B.: Welcher Interviewpartner hat dich am meisten beeindruckt und wen würdest du gerne mal noch interviewen?
M.P.: Spontan muss ich dabei an Steffi Brachtel denken, die aus Freital kommt und sich in der Hochphase der Flüchtlingskrise dort für Zuwanderer engagiert hat. Nicht gerade zur Freude vieler Rechter, was ihr auch persönlich viel Ärger einbrachte. Bei einem Mann würde man jetzt sagen: der hat Cochones bzw. seinen Mann gestanden. Schade, dass es kein so schönes weibliches Äquivalent gibt, aber Frau Brachtel ist definitiv ein gesellschaftliches Vorbild. Mein persönlicher Interview-Traum wäre Barack Obama.
L.B.: Wie sieht so ein Arbeitsalltag generell aus?
M.P.: Los geht alles mit dem Radiowecker, der klingelt zwischen 06:00 Uhr und 06:30 Uhr und gibt schon mal einen ganz guten Überblick über die aktuelle Nachrichtenlage. Im Büro lese ich dann noch Zeitungen und Onlinemedien quer, sodass ich zur Redaktionsleiter-Konferenz um 09:00 Uhr meist eine Ahnung davon habe, welches Thema ich an dem Tag wie und mit wem umsetzen möchte. Dann beginne ich mit tieferer Recherche und kontaktiere mögliche Interview-Partner. Da ist also ganz viel klassische Schreibtischarbeit dabei. Zwischendurch ein Besuch bei den Maskenbildnern und irgendwann steige ich mit meinem Kameramann ins Auto und wir fahren zu unserem Dreh-Ort. Dort wird sich noch besprochen und schon sind wir live auf Facebook. Das Schöne bei Live-Formaten sind nicht nur Spontaneität und Interaktivität, sondern auch dass hinterher keine Nachbearbeitung nötig ist.
L.B.: Was machst du zum Ausgleich neben deinem Job?
M.P.: Ich koche gern, lese alte Schinken, treffe Freunde und Familie und schaue auch gern mal eine gute Serie oder einen Film an. Aktuell treibe ich viel Sport, was ich mir früher nie hätte vorstellen können. Als Kind war ich wegen eines Herzfehlers sehr unsportlich und auch noch im Schul-Sport fast immer die Letzte auf der Bank, die ins Team gewählt wurde. Das hat sich glücklicherweise geändert und heute ist von Ballett über Pilates bis Jumping Fitness alles dabei und das Auspowern tut richtig gut und manchmal auch Not.
L.B.: Wann bekommst du deine eigene Talkshow? Nein im Ernst, was wäre dein Traum?
M.P.: Damit Träume wahr werden, muss man sie für sich behalten. Ich habe eine nahezu unerschütterliche positive Grundeinstellung und bin überzeugt, dass in diesem Leben noch viele spannende Projekte auf mich warten.
L.B.: Wie suchst du dir dein Outfit aus? Magst du Vintage?
M.P.: Bevor ich täglich vor der Kamera stand, habe ich viel Vintage und hauptsächlich schwarz getragen, mit deinem feschen Trenchcoat kann ich also durchaus etwas anfangen. Aber ich bin inzwischen ganz glücklich, dass die Stylistinnen mir zu knalligen Farben geraten haben und sie mir immer wieder in meine Ankleide hängen. Man wirkt tatsächlich frischer und präsenter, sodass sich auch in meinem privaten Kleiderschrank inzwischen fast alle Farben des Regenbogens wiederfinden. Von meinen auffälligen Lieblingen aus vergangenen Zeiten habe ich mich fast vollständig verabschiedet. Die berufliche Marie trägt auch keine kurzen Röcke oder tiefen Ausschnitte. Meine Zuschauer sollen sich über die Inhalte und nicht über meine Optik Gedanken machen.
L.B.: Vielen Dank für das Interview und viel Glück weiterhin.
M.P.: Laura, es war mir ein Fest!